Gekürzte Version; Orginal in der Swing 205; 2017 erschienen
Bei der letztjährigen Buchmesse in Frankfurt versuchten extrem Rechte den ihnen gebotenen Raum zu dominieren. Der Fotograf Protestfotografie FFM twitterte während des Samstags: „Ich werde hier beleidigt, bedroht und bedrängt. Vom Bedrohungslevel fühlt sich die Book_Fair [Buchmesse] an wie ein rechter Aufmarsch“. Der Einschätzung lässt sich durchaus folgen.
Bereits während der Fachbesucher*innentage wurden die Stände der Amadeu Antonio Stiftung und der Bildungsstätte Anne Frank von Personen oder Sympathisanten des nahe gelegen Standes vom Antaios-Verlag eingeschüchtert und bedroht. Bei Veranstaltungen versuchten eben diese, auch den Raum für sich zu beanspruchen oder zu stören.
Der Samstagnachmittag war der Höhepunkt von Auseinandersetzungen. Nachdem neben weiteren rechten Verlagen dieses Jahr auch der Antaios-Verlag auf der Buchmesse stand, gab es die gesamte Woche über vielfältige Proteste. Neben abgeräumten Ständen bei Manuscriptum und Antaios, sowie kleineren Demos von Mitarbeiter*innen des Börsenvereins hatten schon zuvor Verlage, Schriftsteller*innen und Wissenschaftler*innen in einem offenen Brief die Buchmesse aufgefordert, Rassist*innen keine Bühne auf der Buchmesse zu bieten.
War die Zahl der Zuhörer*innen am Gespräch über das Buch Finis Germania des Antaios-Verlages in der Halle 4.2. Forum und Wissenschaft“ am Freitag noch übersichtlich, glich der Verlagsstand am Samstag einem who-is-who der extrem Rechten Gruppen und Parteien. So plauderte bereits am Nachmittag Björn Höcke mit Götz Kubitschek, während die Identitären von Kontrakultur Halle sich als Security aufspielten bzw. vermutlich mit dieser Aufgabe betraut waren. Zunächst etwas abseits stand eine Gruppe um Maximilian Reich (JN) und Patrick Schröder, bis Letzterer freundschaftlich von Martin Sellner (IB Österreich) begrüßt wurde. Patrick Schröder ist Betreiber des extrem rechten Medienportals FSN-TV und Mitorganisator von Rechtsrockevents in Themar.
Für Außenstehende wirkte es wie ein großes „Familientreffen“: Da grüßten sich Identitäre, Mitglieder der Jungen Alternative und militante Neonazis. Es wurde offensichtlich, was Antifaschist*innen schon lange klar ist: Man kennt sich und in der Euphorie der aktuellen Stimmung rückt die Rechte zusammen, schließlich gibt es nicht nur einen gemeinsamen Nenner. Der Protest gegen die Veranstaltung mit den Neurechten Martin Semlitsch aka Lichtmesz sowie Caroline Sommerfeld-Lethen konnte von den Rechten unterbunden und werden, Demo-Plakate wurden zerrissen und mit Sprechchören gewannen die Rechten bald die Oberhand zurück. Gegenprotesteierende wurden von vorn von der Polizei abgeschirmt und von hinten von einer Gruppe um Manuel Wurm (JA Hessen) und Justin Salka (JA RLP) angegangen. Die Besucher*innen vor der Bühne skandierten dazu „Jeder hasst die Antifa“.
Erst die letzte Veranstaltung, eine Buchvorstellung mit den Identitären Martin Sellner und Mario Müller, konnte aufgrund der massiven Gegenproteste nicht mehr stattfinden. Als die beiden auf die Bühne stiegen, hallte es durch den Raum „Halt die Fresse“. Versuche, dies zu übertönen, blieben zunächst erfolglos. Vereinzelt kam es vor der Bühne zu Handgreiflichkeiten. Sellner und Müller zählten beide zur Besatzung des IB-Schiffs C-Star. Müller war darüber hinaus früher aktives Mitglied bei der NPD-Jugendorganisation JN und sympathisiert offen mit der ukrainischer Neonazi-Miliz Asow.
Nach dem Tumult versucht der Direktor der Buchmesse die Veranstaltung für beendet zu erklären. Hier wurde nochmal deutlich, wer an diesem Abend das Heft in der Hand hatte: Kubitschek ließ den Direktor der Buchmesse nicht zu Wort kommen und drückte einfach das Megaphon zur Seite.
Im Anschluss ließen es sich Patrick Schröder und der NS-Rapper Michal Zeise aka Mic Revolt nicht nehmen, sich demonstrativ an den verlassenen Stand der Amadeu-Antonio Stiftung zu setzen und feixend Erinnerungsfotos zu schießen.
Allgemein wurde die Bedeutung der Buchmesse für die Rechte unterschätzt. Eine Situation, in der extreme Rechte aller Couleur einen ganz Saal dominieren und Antifaschist*innen sich bedroht fühlen, hat es in Frankfurt lange nicht gegeben. Götz Kubitschek feierte die Buchmesse in einem Interview als einen wahnsinnigen Erfolg für die intellektuelle Rechte und den ersten Schritt „Normalität herzustellen“ und einen rechten intellektuellen Diskurs in der Gesellschaft zu verankern.