Deutsch-Flämische Brudergefühle

Die Vernetzung der Deutschen Burschenschaft mit flämischen extremen Rechten am Beispiel der Marburger Burschenschaft Rheinfranken und ihrer Marburger Verbandsbrüder

Das extrem rechte Netzwerk der Deutschen Burschenschaft (DB) hat viele Facetten. Im Folgenden wollen wir diese Vernetzung der DB und extrem rechten belgischen Studentenverbindungen, die lieber Flamen wären, aufzeigen, und zwar am Beispiel der Marburger DB Verbindungen, spezieller an der Burschenschaft Rheinfranken zu Marburg und des KVHV-Gent.

Während die Marburger Burschenschaft Germania 2015 den Vorsitz der DB inne hatte, trieben die Rheinfranken die Vernetzung der DB mit der katholischen, radikal flämisch-nationalistischen Verbindung KVHV Gent voran.

KVHV Gent

Der KVHV Gent (Katholischer Flämischer Studentenverband zu Gent) ist eine flämisch -nationalistische Studierendenverbindung, die sich selbst als politisch begreift. Nach ihrer Eigenbeschreibung sind sie radikal flämisch-nationalistisch und antikommunistisch eingestellt und geben als ihr Ziel an, die „Volksgemeinschaft zu stärken“. Der KVHV ist kein reiner Männerbund, auch Frauen werden dort aufgenommen, die gesehen und ernst genommen werden müssen. Dass die Verbindung trotzdem frauenverachtend und sexistisch ist, zeigt sich beispielsweise daran, dass zu Besuchen nach Marburg nur Männer kommen dürfen, bei einem Vortrag von Nigel Farage in den ersten Reihen nur Männer sitzen durften, oder sie bei Kneipen regelmäßig ein kleineres Bierglas vor sich haben. Unter deutscher Besatzung ab November 1940 organisierten sich die meisten Mitglieder des KVHV in der von dem Nazis genehmigten Gentsch Studentenverbond (GSV).

Der KVHV fiel in der Geschichte immer wieder durch Gewalt gegen politische Gegner_innen auf: So auch am 21 Oktober 1974, als Aktive des KVHV versuchten, eine missliebige Aufführung zu verhindern, in dem sie linke Studierende angriffen, woraus sich eine Straßenschlacht entwickelte. Die Universität Gent ging nach diesen Ereignissen mit einem Verbot gegen den KVHV vor.

Im Jahr 1991 wurde der KVHV Gent trotzdem wieder gegründet und sechs Jahre später von der Universität wieder anerkannt. In den 2010er Jahren wandte sich der KVHV Gent der Deutschen Burschenschaft zu. Laut eigen Aussage existiert seit April 2015 ein freundschaftliches Verhältnis mit der Marburger Naziburschenschaft Rheinfranken.

Ein häufig genutzter Hashtag der KVHV-Gent auf Instagram ist #defendeurope. Der Hashtag wird unter Anderem bei Kampfsport wie auch bei Wehrsportübungen mit Airsoftwaffen angefügt, was die Ausrichtung des KVHV-Gent in Bezugnahme seiner historischen Entwicklung bis heute deutlich macht.

Aus diesem freundschaftlichen Verhältnis zur Marburger Burschenschaft Rheinfranken und der nähe zur DB resultierten in den folgenden Jahren nicht nur gegenseitige Besuche, die wir im weiteren Verlauf noch thematisieren werden, sondern auch bisher mindestens ein Aktiver, der von Gent nach Marburg zog.

V.l.n.r.: Christopher Katzer, Tobias Heuwinkel und Michiel Vantongerloo beim Mechterstädt-Gedenken
Vantongerloos Mensur im Juli 2016, links im Hintergrund Phillip Schmuck mit Bändern der Rheinfranken Marburg und Normania Leipzig zu Marburg

Michiel Vantongerloo, 27 Jahre, begann sein Studium in Gent, wo er sich in der katholischen, gemischt-geschlechtlichen Studierendenverbindung KVHV Gent organisierte. Er wurde zum Wintersemester 2015/16 Fux der Naziburschenschaft Marburger Rheinfranken und studiert seitdem Geschichte.

Am 2. April 2019 wurde an der Alten Universität in Marburg eine Gedenktafel enthüllt, welche an die Morde von Mechterstädt erinnern soll. Das Marburger Studenten Kommando hat im Thüringischen Mechterstädt im März 1920 15 Arbeiter exekutiert.

Marcel Gent beim Mechterstädt-Gedenken

Zu diesem Anlass fanden sich unter Anderem Michiel Vantongerloo wie auch Marcel Gent und Tobias Heuwinkel – alle drei Rheinfranken – ein. Begleitet wurden sie von Christopher Katzer von der Chattia Marburg (Coburger Convent) der ebenfalls Geschichte studiert. Auf der Veranstaltung trafen sie sich mit Matthias Pozzi, einem Mitglied der Marburger Jäger, der auch in der Marburger AfD aktiv ist. Letzterer verließ die Veranstaltung etwas früher, fuhr mit seinem Motorrad noch einmal an der Veranstaltung vorbei und hupte, um seine Missbilligung des Gedenkens auszudrücken, was bei den anwesenden Verbindern für Erheiterung sorgte.

Matthias Pozzi nebst Christopher Katzer (zu erkennen an der Jacke) beim Mechterstädt-Gedenken

Gegenseitige Besuche

Seit 2015 kam es regelmäßig zu gegenseitigen Besuchen zwischen dem KVHV-Gent und den Rheinfranken. Mitte Dezember 2016 waren neben Aktiven der Rheinfranken auch mindestens der damals Aktive der Marburger Burschenschaft Germania, Christian Schneider, zu Besuch beim KVHV Gent.

Mittig vorne mit Einstecktuch: Lars Roth von den Rheinfranken; hinter ihm mit Germanenband, -mütze und Schmiss: Christian Schneider
Christian Schneider mit markantem Schmiss

Im September 2018 besuchten die Rheinfranken und die Normannia Leipzig zu Marburg abermals den KVHV-Gent und nahmen an dem von diesen ausgerichteten Vortag mit dem englischen Faschisten Nigel Farage teil.

Alle drei Marburger Naziburschenschaften der DB, jedoch nicht nur diese, stehen mit dem KVHV-Gent in Kontakt. Auch bei der Marburger Landsmannschaft Nibelungia, die im Coburger Convent organisiert und laut Homepage „überhaupt nicht politisch ausgerichtet ist“, sind sie gerne gesehener Gast.

Gemeinsames Bild vom KVHV Gent, Rheinfranken und Nibelungen vor deren Haus. Mittig mit Doppelband: Michiel Vantongerloo

„Europa der Regionen“

Dabei ist es kein Zufall, dass es seit einigen Jahren Kontakte von extrem rechten Marburger Verbindungen zum flämisch-nationalistischen KVHV Gent gibt. Diese Studentenverbindung entspricht mit ihrem flämischen Nationalismus, der sich für einen von Belgien und der EU unabhängigen Nationalstaat einsetzt, genau den faschistischen Vorstellung, die Philip Stein und Felix Mentzel 2013 in ihrem Werk Junges Europa. Szenarien eines Umbruchs entwerfen. In dem Buch werden verschiedene Aspekte einer ersehnten faschistischen Neugeburt für ganz Europa skizziert. Dabei imaginieren sie ein „Europa der Regionen“ und beziehen sich positiv auf Seperationsbewegungen in Katalonien, Flandern, Nordirland und Südtirol, welche genau dem entsprechen, was der KVHV Gent für Flandern fordert.

An Michiel Vantongerloo, der sowohl das Band der rechts-nationalistischen flämischen Verbindung KVHV Gent als auch das Band der Rheinfranken trägt; sowie den zahlreichen Besuchen der Marburger Rheinfranken, teilweise begleitet von Burschen der Germania und der Normannia Leipzig, lässt sich die Vernetzung der Deutschen Burschenschaft nach Belgien gut nachzeichnen.

Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, das auch die KVHV Gent schon in ihrer Geschichte eine gewaltbereite Verbindung ist, die anti-kommunistisch und nationalistisch auftritt. Eigenschaften, die sie mit den Naziburschenschaften in Marburg und der DB verbindet.